Początek treści

NICHT NUR PRZEMYSŁOWA ... KINDHEIT IN LITZMANNSTADT

 

Autorinnen der Ausstellungsschautafeln: Dr. Agnieszka Fronczek-Kwarta, Anna Dudek

Designerin der Ausstellung: Renata Borkowska

Textredaktion: Szymon Nowak

Auf der Titelschautafel: ein Bild von Malwina Ratajczyk, das ein Kriegskind symbolisiert, sowie Fotos von Bauklötzen aus der Sammlung des Spielzeug- und Spielemuseums in Kielce und ein Foto eines dem Zwangsarbeiter Władysław Tęgos gehörenden Koffers.

Herausgeber: Museum der Polnischen Kinder – Opfer des Totalitarismus. Deutsches Nazilager für polnische Kinder in Łódź (1942-1945).

„ES GIBT KEINE KINDER – ES GIBT MENSCHEN.”
JANUSZ KORCZAK

 

Das besetzte Łódź wurde zu einem Umschlagplatz, diesmal nicht für Waren, sondern für Menschen. Die deutschen Machthaber definierten auf ihre Weise die Menschlichkeit der Bewohner dieser Länder nach ihrer „Eignung” für das Dritte Reich. Mittendrin fand sich ein Kind wieder, das von heute auf morgen seine Rechte und die Grundlage seines Funktionierens verlor. Ein Kind, also wer?

  • Ein „Kinderhäftling”, das in Lagern und Ghettos inhaftiert war.
  • Ein „Verwaistes, halbverwaistes Kind”, das in Kinderheimen oder bei Pflegefamilien untergebracht war.
  • Ein „regermanisiertes Kind”, das mit seinen Eltern in der Volksliste eingetragen war.
  • Ein „geraubtes Kind”, das für die Germanisierung bestimmt war.
  • Ein „verurteiltes Kind”, das in Gewahrsamseinrichtungen, Gefängnissen einsaß.
  • Ein „Zögling” – ein im Jugendschutzlager an der ul. Przemysłowa, in Dzierżązna und in Konstantynów Łódzki inhaftierter Gefangener.
  • Ein „Kinderlehrling” der Lehrwerkstatt des Reichsluftfahrtministeriums.
  • Ein „vertriebenes Kind”, das in Umwanderer- und Durchgangslagern einsaß.
  • Ein „Zwangsarbeiter-Kind”, das zur Sklavenarbeit geschickt wurde.
  • „Banditen-Kinder”, „Terroristen-Kinder” aus Familien, die sich im polnischen Unabhängigkeitsuntergrund engagierten.

Fotoquelle:

Vertreibung der Bevölkerung, wahrscheinlich aus dem Posener Raum (Instytut Pamięci Narodowej [dt. Institut für Nationales Gedenken, Anm. d. Übers.]).

DIE KINDERHEIME

 

„Ich weiß, dass mein Vater und mein älterer Bruder damals verhaftet wurden, weil er sich weigerte, die VD (die Volksliste) zu unterschreiben, und meine Mutter wurde freigelassen, um ihr erneut Zeit zum Nachdenken zu geben. Mein Vater und der Bruder waren in der ul. Sterlinga in Łódź inhaftiert [...] Ich wurde im Kinderheim in der ul. Kopernika untergebracht und der jüngere Bruder, der damals vielleicht 7 Jahre alt war, wurde irgendwo in Chojny untergebracht. Nach einiger Zeit wurde ich nach Chojny verlegt und traf dort auf meinen Bruder. Nach kurzer Zeit wurden wir nach Posen überführt und dort in irgendeinem Kinderheim untergebracht. Es durfte kein Polnisch gesprochen werden.”

Jerzy Zajdel, geb. am 20. (12.) Dezember 1931 in Łódź, ein Pole, 1944 nach Eckernförde in Deutschland deportiert. Im Juni 1946 kehrte er nach Polen zurück.

 

Die Zöglinge des Kinderheims waren Kinder im Alter von bis zu 12-14 Jahren. Waisen, Halbwaisen oder Kinder, die bereits vor dem September 1939 aus wirtschaftlichen Gründen ausgesetzt wurden, sowie Kinder, die durch den Krieg ihrer Heimat und ihrer Erziehungsberechtigten beraubt wurden. In Łódź und Umgebung gab es mehr als ein Dutzend solcher Stätten. Obwohl sie für einen Betreuungsersatz für die Jüngsten sorgten, waren sie vor allem ein Ort der Selektion von Kindern für die Germanisierung.

 

Quelle des Zitats:

OKŚZpNPwŁ [Oddziałowa Komisja Ścigania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu w Łodzi, dt. Zweigkommission für die Verfolgung von Verbrechen an der Polnischen Nation in Łódź, Anm. d. Übers.], Protokoll der Vernehmung des Zeugen Jerzy Zejdel (1967), Az. S 4/00/Zn, Bd. I, Bl. 6.

Fotoquellen:

Kwapisz, Teresa, geb. am 25. Februar (Mai) 1938 in Łódź, eine Polin. Sie wurde ihrer Erziehungsberechtigten entrissen und nach Bruczków und dann nach Deutschland gebracht. Sie erhielt eine neue Identität – Irmgard Schebesta. Im Jahr 1950 hielt sie sich im Kurort Bad Aibling in der amerikanischen Besatzungszone auf (Instytut Pamięci Narodowej).

Registrierungskarte von Jerzy Zajdel (ITS Digital Archive, Arolsen Archive, 3.1.1.1/68997352).

Registrierungsliste in DP-Lagern (ITS Digital Archive, Arolsen Archive, 3.1.1.2/3112021).

VERGESSENE ORTE – DEUTSCHE KINDERHEIME

 

„... wie ich schon sagte, waren die hier[im Kinderheim in der ul. Brzeźna]herrschenden Bedingungen sehr schlecht, geradezu tragisch. Die Verpflegung war geradezu eine Hungerkur, und wir bekamen meist verrottetes Gemüse, mehr als einmal (sic) sogar halb roh. Ich erinnere mich, dass die meisten von uns an Magen-Darm-Beschwerden erkrankten und wir obendrein ständig hungerten. Es herrschte ein strenges Lagerregime, verbunden mit systematischen Quälereien. Dies äußerte sich in der Organisation ständiger Sammlungen, mit Schlägen verbundener Strafappelle ...”

Zdzisław Baranowski, geb. am 23.11.1933 in Łódź, eine Vorkriegswaise; er durchlief die Kinderheime in der ul. Karolewska, der ul. Wodna, der ul. Cmentarna und der ul. Brzeźna.

 

Während der Besatzungszeit gab es in ganz Łódź mindestens acht Kinderheime, die von der Abteilung für soziale Wohlfahrt betrieben wurden. Sie konnten jeweils zwischen 60 und 160 Personen aufnehmen. Die härtesten, fast lagerähnlichen Bedingungen herrschten im Städtischen Kinderheim in der ul. Brzeźna 1/3. Zu den größten Einrichtungen gehörten die Kinderheime in der ul. Przędzalniana 66, der ul. Lokatorska 12, der ul. Karolewska 51 und im Heim für Kleinkinder in der ul. Krzemieniecka 5. In der Zeit zwischen 1939 und 1944 durchliefen von 850 bis 1 Tsd. Kinder jede dieser Stätten. Die Einrichtungen, in denen hauptsächlich zur Germanisierung selektierte Kinder sich aufhielten, wurden zwischen Juli und November 1944 geschlossen und die Zöglinge ins Reich überstellt. Zu diesen Einrichtungen gehören auch das Übergangsheim in der ul. Kopernika 36 sowie die Kinderheime in der ul. Cmentarna 10a und der ul. Przyszkole 38.

 

Quelle des Zitats:

OKŚZpNPwŁ, Protokoll der Vernehmung des Zeugen Zdzisław Baranowski (1967, Az. S 4/00/Zn, Bd. IIIa, Bl. 59.

Fotoquelle:

Städt. Kinderheim – ul. Brzeźna 3 (Erhard-Patzer-Straße).

Kinderheim – ul. Przędzalniana 66 (Mark-Meissen-Straße).

Kinderheim – ul. Lokatorska 12 (Zobtenweg).

Säuglingsheim – ul. Krzemieniecka 5 (Am Volkspark).

Übergangsheim – ul. Kopernika 36 (Friedrich-Gossler-Straße)

Kinderheim – ul. Cmentarna 10a (Friedhofstraße)

Kinderheim – ul. Przyszkole 38 (Ardennenstraße)

(MDP, Foto: R. Borowska). 

AUF DER SUCHE NACH „GUTEM BLUT”  

  

„Einige der Räume wurden von jungen Frauen mit kleinen Kindern beiderlei Geschlechts bewohnt [...] In den Gängen hielten Angehörige der SS Wache [...] Am Tag nach meiner Festnahme wurde ich über einen Zeitraum von etwa drei Wochen verschiedenen medizinischen Untersuchungen unterzogen [...] Die meisten Untersuchungen wurden vor Ort von Ärzten in SS-Uniformen durchgeführt [...] Nach Abschluss der Untersuchungen wurde jeder mit einer Nummer auf Brusthöhe fotografiert [...] Es war verboten, Polnisch zu sprechen.”

Lidia Gronau, geb. Głowacka, geboren 1926 in Łódź, Polin, eine Insassin des Rassenlagers in der ul. Sporna; sie wurde zur Arbeit in München deportiert.                                                  

 

Für die deutschen Besatzer stand die Ausrottung der eroberten Völker an erster Stelle. Reichsführer SS Heinrich Himmler befahl, dass jeder Tropfen „wertvollen Blutes” zu deutschem Blut werden sollte. Es gab eine groß angelegte Aktion zur Germanisierung von Kindern und ganzen Familien, die das Dritte Reich aufbauen sollten. Eine dieser Stätten war das Rassenlager in der ul. Sporna 73 in Łódź, das sich in den dem Bernhardinerorden weggenommenen Gebäuden befand. Die Vorselektion wurde an allen Isolierstandorten getroffen. Kinder von außerhalb des Lagers wurden zu den Untersuchungen in der ul. Piotrkowska 113 vorgeladen. Wahrscheinlich gab es in Łódź auch eine Lebensborn-Einrichtung.

 

Quelle des Zitats:

OKŚZpNPwŁ, Handakten der Staatsanwaltschaft, Az. 4/00/Zn, Bl. 1775v-1776.

Rasse- und Siedlungshauptamt SS, Außenstelle Lager (Rassenlager) – ul. Sporna 73/ ul. bł. A. Pankiewicza 15 (Landsknechtstraße/Wotanstraße) – (Instytut Pamięci Narodowej).

SIE HABEN UNSERE GESAMTE FAMILIE VERTRIEBEN

 

„Meine Familie fand sich in Saal Nr. 3, in dem insgesamt 800 Personen untergebracht waren, wieder. Es gab dort keine Betten oder Pritschen, sondern eher Sektoren oder Schlafstellen, die mit Brettern vom Durchgang abgetrennt waren. Der Boden war mit Stroh, auf dem wir schliefen, bedeckt. Wir deckten uns mit der Kleidung, die wir hatten, oder mit Decken zu. Der sanitäre Zustand des Saals war, wie übrigens der der übrigen, sehr schlecht, da die ganzen Räume verlaust und verwanzt waren, und es herrschte dort eine außergewöhnliche Enge, auf eine Person kamen 45 cm Breite zum Schlafen [...] Primitive Klos – Latrinen befanden sich außerhalb des Gebäudes.”

Ildefons Aleksy, geb. am 14.3.1927 in Gniezno, ein Insasse des Umwandererlagers in Konstantynów Łódzki, ein Zwangsarbeiter.

 

Die Umwandererzentralstelle Posen, Abteilung Łódź, eröffnete in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Ende 1939 und Anfang 1940 fünf Umwandererlager in Łódź und Konstantynów Łódzki. Eines davon, das Lager Konstantynów Łódzki, wurde am 16.8.1943 in eine Außenstelle des Lagers für polnische Kinder an der ul. Przemysłowa umgewandelt. Drei davon waren bis Ende 1944 in Betrieb, eines davon diente bis Januar 1945 als Krankenhaus.  Zu dem Netz von Lagern für Vertriebene, die nach Łódź gebracht wurden, gehörten:

  • das Umwandererlager I – ul. Łąkowa 4
  • das Umwandererlager II – ul. Żeligowskiego 41/43
  • das Auffanglager/Sammellager – ul. Kopernika 53/55
  • das Sammellager/Krankenlager – ul. 28. Pułku Strzelców Kaniowskich 32
  • das Umwandererlager in Konstantinow – ul. Łódzka 27

Quelle des Zitats:

OKŚZpNPwŁ, Protokoll der Vernehmung des Zeugen Ildefons Aleksego (1979), Az. Ds. 37/67, Bd. II, Bl. 387-388.

Fotoquelle:

Umwandererlager (Instytut Pamięci Narodowej).

VERTRIEBENE – FAMILIENGESCHICHTEN    

 

„Mit den Abschiebezügen ging es nur schleppend voran, sodass es jetzt darauf ankam, etwas zu unternehmen, egal was. Eines Tages wurden sie in die ul. Żeligowskiego in die ehemalige Spinnerei gebracht, dann in die ul. Łąkowa und nach ein paar Tagen zurück in die ul. Kopernika. Solche Märsche sollten entweder etwas verhindern oder ein Gewebe aus funktionierenden Strukturen schaffen, das wie ein effizienter Apparat funktionierte. Die Menschen sollten erschöpft werden, verdrüsslich, gleichgültig gemacht werden, man durfte den Ort nicht beheizen lassen. Weitere Vertriebene wurden hereingebracht, und dann füllten sich die Hallen mit belebenden Atemzügen. Allerdings nicht für lange. Diese Neuankömmlinge glaubten an die Möglichkeit, sich einzurichten, und suchten nach Strohsäcken zum Schlafen, während die anderen ihr Bettzeug auf dem Boden ausbreiteten oder auf den Resten von zerknittertem Stroh lagerten.”

 

„Die Mama und die Schwestern wussten, dass die Deutschen sie irgendwo hinbringen würden. Sie hatten nur eine halbe Stunde Zeit, um zu packen und sich auf die Abreise vorzubereiten. Nun, sie haben auch nicht viel mitgenommen (...) Sie sagten, sie hätten zwei linke Schuhe oder zwei rechte Schuhe mitgenommen (...). Sie deportierten die Mama und die Schwestern in das Durchgangslager in der ul. Łąkowa.”

 

Quelle des Zitats:

Augustyniak, Na targu niewolników III Rzeszy [Auf dem Sklavenmarkt des 3. Reichs, Anm. d. Übers.], Warschau 2024, S. 28.

Aufnahme der Zeitzeugin Krystyna Złotowska, geb. Klimkiewicz, 2024, MDP.

Fotoquelle:

Die Familie Klimkiewicz aus Biała bei Łódź im Umwandererlager in der ul. Łąkowa: Aurelia (die Mutter); die Töchter – Maria, geb. am 4.3.1923, Daniela, geb. am 2.2.1925, Janina. 1940 zur Zwangsarbeit nach Österreich (Grieskirchen, Linz) deportiert – (Sammlung der Familie von Krystyna Złotowska, geb. Klimkiewicz).

Krysia, geb. am 11.8.1941, und Janek, geb. am 11.7.1938, Śliwiński (Niemojewo, 1943). Insassen im Umwandererlager in Łódź und im Lager an der ul. Przemysłowa. 1944 mit den Eltern und der Tante nach Deutschland (Öschelbronn, Pforzheim, Ettlingen) deportiert – (Sammlung der Familie Śliwiński). 

„DIE MENSCHHEIT SOLLTE EINEM KIND DAS BESTE, WAS SIE BESITZT, GEBEN.”
Genfer Erklärung, 1924

 

Zwischen April 1940 und Januar 1945 befand sich auf dem Gelände des Umwandererlagers an der ul. Strzelców Kaniowskich ein Sammelkrankenhaus für Kranke aus den anderen Umwandererlagern sowie für Arbeiter, die aufgrund des schlechten Gesundheitszustands oder Invalidität aus der Zwangsarbeit zurückgeschickt wurden.

 

„Die vom polnischen Personal illegal ins Lager gebrachten Medikamente deckten nicht einmal einen Teil des Bedarfs [...] Auf der sog. Kinderstation, der einzigen, in der es Betten gab, kamen mehrere Kinder auf ein Bett. Wenn ein Kind an einer ansteckenden Krankheit litt, steckten sich die übrigen an.”

 

„Ich, mein Mann und meine 16-jährige Tochter wurden so, wie wir standen, auf einen Lastkraftwagen geladen und nach Łódź in das Lager an der ul. Łąkowa gebracht. Nach vier Tagen wurde meine Tochter, die nervlich krank war, aus dem Lager geholt und mit meiner Hilfe und unter Bewachung zu den Gebäuden in der ul. Strzelców Kaniowskich gebracht [...] Nervenkranke, psychisch Kranke und Arbeitsunfähige wurden (dort) gruppiert [...] Die Deutschen kamen am Morgen mit Personenkraftwagen und transportierten alle Lagerinsassen ab [...] Von meiner Tochter fehlte jede Spur.”

 

„In der Nähe befand sich ein Kinderkrankenhaus, in das kranke Kinder von uns gebracht wurden. Ich konnte mit meinem kranken Sohn Zdzislaw* nicht in dieses Krankenhaus gehen, denn ich hätte die anderen Kinder und meinen kranken Mann unbeaufsichtigt lassen müssen. Ein krankes Kind allein wurde im Krankenhaus nicht aufgenommen.”

*Er starb am 13.12.1944 im Alter von 7 Monaten.

 

Textquelle:

OKŚZpNPwŁ, Information bezüglich des Lagers in Łódź, ul. Strzelców Kaniowskich 32, Az. Ds. 37/67, Bd. I, Bl. 139; ebenda, Protokoll der Vernehmung der Zeugin Kornela Gralewska, geb. Przybył, (1967), Az. Ds. 37/67, Bd. I, Bl. 176; ebenda, Protokoll der Vernehmung der Zeugin Maria Jaskólska, geb. Grygiel, (1971), Az. Ds. 37/67, Bd. I, Bl. 122.

Fotoquelle:

Propagandafotos eines Krankenzimmers aus einem Umwandererlager in Łódź (Instytut Pamięci Narodowej).

FÜR DIE „SÜNDEN” DER VÄTER – KINDER AUS BÖHMEN    

 

Im Juni 1942 brachten die Deutschen eine Gruppe von 89 Kindern aus Lidice und Ležaky – Dörfern, die als Vergeltung für das Attentat auf den SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, der als Protektor von Böhmen und Mähren fungierte, befriedet wurden – in das Umwandererlager in der ul. Żeligowskiego.

 

„... sie standen in Gruppen und hielten sich krampfhaft an den Händen. Die Jüngeren schmiegten sich an die Älteren an. Einige der Ältesten im Alter von etwa 13-14 Jahren kümmerten sich um die anderen. Ältere Mädchen und Jungen hielten Kleinkinder, die kaum laufen konnten, auf dem Arm. Die Kinder waren in schmutziger Sommerkleidung [...] In ihren Händen hielten sie Bündel, die alle ihre Besitztümer enthielten: Brotstücke, kleine Spielzeuge, Spiegel usw. Sie waren verängstigt und wollten nicht reden. Erst nach einer Weile konnten wir erklären, dass wir keine Deutschen sind und ihnen helfen wollten.”

 

Die Kinder wurden einer Selektion und Rassenuntersuchungen unterzogen. Sieben von ihnen wurden für die Verdeutschung qualifiziert, und die jüngste in dieser Gruppe, Ewa Kubikova, war 5 Jahre alt. Die übrigen 82 Kinder wurden in unbekannter Richtung weggebracht, wahrscheinlich nach Chełmno nad Nerem. Darunter waren 28 Kinder unter 6 Jahren, 48 Kinder zwischen 7 und 14 Jahren, und sechs Kinder waren 15-16 Jahre alt. Alle kamen ums Leben.“

 

Textquelle:

OKŚZpNPwŁ, W. Klimczak – Stellvertretender Ankläger, Der Fall der böhmischen Kinder aus Lidice, Az. Ds. 37/67, Bd. I, Bl. 201.

Fotoquelle:

Bildausschnitte aus dem Film „Litzmannstadt – gehenna polskich dzieci” [dt. „Litzmannstadt – die Gehenna der polnischen Kinder”, Anm. d. Übers.], Foto von Michał Tuliński, Regie: Katarzyna Pełka-Wolsztajn, 2024   

LAGER ODER WERKSTÄTTEN? WODNA 34

 

„Unsere gesamte Gruppe wurde nach Łódź überführt und im Gebäude der Kirche der Salesianerpriester untergebracht [...] sofort nach der Ankunft vor Ort wurde jeder von uns fotografiert und danach erhielten wir Ausweise [...] neben der Kirche befand sich eine Produktionshalle, in der alle Mädchen arbeiteten. Das Gelände um die Kirche war eingezäunt, und am Einfahrtstor standen rund um die Uhr Wachen mit Gewehren [...] Unsere Lebenssituation war sehr hart. Wir wurden in einem Kirchengebäude, das nicht beheizt war, untergebracht. Wir schliefen auf hölzernen Etagenbetten, auf denen Strohsäcke lagen, und wir deckten uns mit Decken zu [...] Wir bekamen kleine kalorienarme Essensrationen und waren daher ständig hungrig. Auch die sanitären Bedingungen waren schlecht.”

Krystyna Kubiak, geb. Sulej, geb. am 31.5.1928 in Kalisz, eine Insassin der Werkstatt in der ul. Wodna, ausgebildet im technischen Zeichnen und Arbeiten an der Drehmaschine, eine Zwangsarbeiterin in der Rüstungsfabrik in Kalisz.

 

Die deutschen Besatzer richteten in Zusammenarbeit mit der Firma Müeller-Seidel in der ehemaligen Handwerksschule der Gesellschaft der Salesianer Ausbildungswerkstätten des Reichsluftfahrtministeriums ein. Die Stätte war als Teil eines größeren Systems mit ähnlichen Einrichtungen in Posen, Krakau, Tschenstochau, Warschau und Lemberg in Betrieb. Dort wurden Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren ausgebildet. Nach Abschluss des Kurses wurden die Schüler zur Arbeit in Rüstungsbetrieben im Dritten Reich geschickt. Die Kursteilnehmer wohnten auf dem Schulgelände oder waren im Internat in der ul. Piramowicza 11/15 untergebracht.

 

Quelle des Zitats:

OKŚZpNPwŁ, Zeugenaussage von Krystyna Kubiak (1990), Az. S 4/00/Zn, Bd. IVa, Bl. 85-87.

Fotoquelle:

Ausweisfoto von Krystyna Kubiak aus den Werkstätten an der ul. Wodna 34 (Instytut Pamięci Narodowej).

ARBEITS-„ERZIEHUNGS-”LAGER IN SIKAWA

 

„Als 14-jähriger Junge arbeitete ich im Jahr 1942 in der Munitionsfabrik in der ulica Wodna in Łódź. Wegen meiner Sabotageakte in der Munitionsherstellung wurde ich auf Betreiben der älteren Arbeiter ins Gefängnis in Radogoszcz und dann in das Arbeitslager in Sikawa gebracht. Ich habe die Gehenna überlebt, ich wurde geschlagen und gefoltert [...]”

Stanisław Denis, geb. am 18.9.1928 in Łódź, ihm wurde fälschlicherweise eine Sterbeurkunde ausgestellt und er wurde später aus dem Lager entlassen. Erschöpft versteckte er sich vor den Besatzern, die ihren Irrtum bemerkten und eine Suche starteten.


Das Erziehungslager in Sikawa wurde am 12. März 1943 auf Erlass von Heinrich Himmler eingerichtet. Das Lager sollte letztendlich etwa 500 Häftlinge (darunter auch Deutsche) aufnehmen können. Es wurde auf dem Gelände des landwirtschaftlichen Betriebs Litzmanstadt-Stockhof, Am Bach 40 errichtet. Die ersten Häftlinge arbeiteten am Bau. Die Lagerleitung war direkt der Gestapo unterstellt. In Sikawa verbüßten Arbeitersverweigerer, aus der Zwangsarbeit im Dritten Reichs Entkommene und wegen geringfügiger Vergehen Verurteilte ihre Strafe. Im Herbst 1944 wurde das Lager mit dem Gefängnis in Radogoszcz zusammengelegt und war bis Januar 1945 in Betrieb.

 

Quelle des Zitats:

Obozy hitlerowskie w Łodzi [Nazilager in Łódź, Anm. d. Übers.],Red. A. Głowacki, S. Abramowicz, Łódź 1998, S. 193-194.

Fotoquelle:

Arbeitserziehungslager (AEL) – Łódź-Sikawa, ul. Beskidzka 54 (Litzmannstadt-Stockhof, Am Bach 40) – (MDP, Foto: R. Borowska). 

GEWAHRSAMSEINRICHTUNGEN – VORÜBERGEHENDE ORTE DER ISOLATION FÜR DIE JÜNGSTEN

 

In Łódź gab es drei Gewahrsamseinrichtungen. Sie wurden alle als Ort der Isolation für Jugendliche genutzt, die später u. a. in das Lager an der ul. Przemysłowa gelangten. Einer der jüngsten Häftlinge in der Gewahrsamseinrichtung der Kriminalpolizei und später im Lager an der ul. Przemysłowa war Michał Zdanowski (geb. 1936). Nach der Festnahme der Mutter blieb der 6-jährige Michał 3 Monate lang allein in der Wohnung.

 

„Ich erinnere mich nicht mehr an das genaue Datum, aber es war vielleicht im Herbst 1942, als ein Mann in Zivil in die Wohnung kam und mir sagte, dass er sich um mich kümmern würde, und mich aus der Wohnung holte und mich dann zur Gewahrsamseinrichtung in der ul. Kilińskiego in Łódź brachte. Ich war mehrere Monate in dieser Gewahrsamseinrichtung und wurde dann mit einer Gruppe anderer Jungen in das Lager für polnische Kinder und Jugendliche in Łódź gebracht.”

 

Quelle des Zitats:

OKŚZpNPwŁ, Protokoll der Vernehmung des Zeugen Michał Zdanowski (1970), Az. S 36.2019.Zn, Bl.1410v.

Fotoquelle:

Staatspolizeistelle in Litzmannstadt – ul. Anstadta 7/9 (Gardestraße).

Kriminalpolizeistelle Litzmannstadt – Polizeigefängnis – ul. Kilińskiego 152 (Buschline).

Polizeigefängnis des Polizeipräsidiums – ul. Kopernika 29 (Friedrich-Gossler-Straße).

(MDP, Foto: R. Borowska).

GEFÄNGNISSE – MIT VERURTEILUNG UND OHNE VERURTEILUNG

 

„Uniformierte Deutsche kamen, um mich zu holen, von ihren Uniformen erinnere ich mich an die charakteristischen Mützen mit den «Hähnen».  Ich wurde zu dem Gebäude geführt, in dem heute das Bezirksgericht von Pabianice untergebracht ist [...] In diesem Gebäude wurden meine Personalien aufgenommen und ich musste meine Fingerabdrücke abnehmen lassen [...] Erst drei Tage nach meiner Verhaftung wurde meine Mutter benachrichtigt, und sie kam zu dem Ort gelaufen, an dem ich festgehalten wurde. Sie wurde nicht zu mir gelassen, aber dass sie da war, weiß ich daher, dass ich saubere Unterwäsche erhielt. Nach 7 Tagen wurde ich mit anderen Häftlingen nach Łódź überführt.”

Apolonia Będą, geb. am 24.2.1927 in Pabianice, im Alter von 16 Jahren verhaftet und in der ul. Gdańska untergebracht; sie gelangte anschließend in das Lager in der ul. Przemysłowa.

 

„1939 hielt ich mich in dem Kinderheim in der ul. Karolewska in Łódź auf. Ich erinnere mich nicht an die Eltern [...] Nach dem Luftangriff auf Łódź wurden wir in der ul. Brzeźna 3 untergebracht, wo ich mich bis zum Frühjahr 1944 aufhielt [...] Die Verpflegung war schlecht, also nahmen wir in Begleitung von 4 weiteren Jungen der deutschen Betreuerin Essen weg. Sie meldete dies dem Leiter des Kinderheims, der uns verprügelte und uns zwei Tage und 2 Nächte in der Kohlenzelle festhielt. Dann wurden wir ins Gefängnis in der ul. Sterlinga gebracht. Wir hielten uns zwei Monate lang hier auf. Wir saßen zusammen mit den Erwachsenen in einer Zelle.”  

Karol Raf, geb. am 8.8.1933 in Łódź, gelangte im Alter von 11 Jahren, wahrscheinlich ohne Gerichtsurteil, ins Gefängnis in der ul. Sterlinga.

 

Textquelle:

OKŚZpNPwŁ, Protokoll der Vernehmung der Zeugin Apolonia Szkudlarek, geb. Beda, (1970), Az. S 36.2019.Zn, Bl. 881v; OKŚZpNPwŁ, Protokoll der Vernehmung des Zeugen Karol Rafa (1969), Az. S 36.2019.Zn, Bl. 729v.

Fotoquelle:

Apolonia Beda (Instytut Pamięci Narodowej).

Buch der Danziger-Häftlinge (Archiwum Państwowe w Łodzi [dt. Staatsarchiv in Łódź, Anm. d. Übers]).

RADOGOSZCZ – EIN SYMBOL DEUTSCHER GRAUSAMKEIT

 

Orte: Gefangenen-/Sammellager in der ul. Liściasta 17 (November 1939 – Januar 1940).

Übergangs-/Sammellager an der Ecke ul. Zgierska und ul. Sowińskiego (1939 – Juni 1940), dann erweitertes Polizeigefängnis und ab 1943 auch Arbeitserziehungslager.

 

Das Radogosker Massaker: Die tragischsten Ereignisse ereigneten sich in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1945, als die deutsche Gefängnisbesatzung kurz vor der Flucht aus Łódź einige Häftlinge erschoss und anschließend die Gefängnisgebäude mit den darin befindlichen Personen in Brand setzte.

 

Jugendliche in Radogoszcz: Im Mai 1940 führten die Gestapo und die Kripo eine Verhaftungsaktion gegen die männliche Lodzer Jugend und die Intelligenz durch. Unter den Verhafteten war auch Józef Sobczak, geb. am 26.2.1920 in Łódź, ein Häftling von Radogoszcz und des KL Dachau. Bevor er nach Deutschland deportiert wurde, gelang es ihm, einen Kassiber an seine Familie zu senden.

 

„Stasiek! Benachrichtige meine Eltern, dass wir Radogoszcz bereits in der Zeit von 2 Uhr in der Nacht bis 9 Uhr morgens verlassen haben. Sie behandeln uns, als wären wir irgendwelche Kriminelle. Achtung:sag allen, dass es weiterhin neue Verhaftungen von Polen geben wird, da in Radogoszcz ein Platz frei ist. Das Alter der Verhafteten liegt zwischen 17 und 50 Jahren. Wir sind auf dem Weg nach Berlin (wahrscheinlich 3 Tage entfernt). Gib diese Karte meinem Bruder. Umarme all deine Freunden von mir (sic). Wenn es möglich ist, entkomme ich sofort. Der Grund für unsere Verhaftungen ist vielfältig vollkommen ungerechtfertigt. Es gibt diejenigen, die sich registriert haben, die arbeiten, Schüler und andere. Wir fahren wahrscheinlich zur Arbeit. Tschüss, alles wird gut. Józek.” 

 

Textquelle:

MTN, Kassiber, Az. A-10933.

Fotoquelle:

Gefangenenlager/Sammellager Radogosch ul. Liściasta 17 (Wasserpfad)

Auffanglager/Sammellager / Erweitertes Polizeigefängnis und Arbeitserziehungslager

Zgierska 147 (Hohensteiner Straße).

(MDP, Foto: R. Borowska).

GHETTO LITZMANNSTADT – ALLGEMEINE GEHSPERRE

 

Zeitraum – Februar 1940 bis August 1944

Gebiet – Bałuty, Altstadt

Anzahl der Insassen – 200 Tsd.

Anzahl der Überlebenden – 5-12 Tsd.

 

Eine der dramatischsten Seiten in der Geschichte des Ghettos Litzmannstadt ereignete sich in sieben Septembertagen des Jahres 1942. Unter dem Stichwort „Allgemeine Gehsperre” deportierten die Deutschen mehr als 15 Tsd. Menschen aus dem Lodzer Ghetto, darunter Kinder unter 10 Jahren, ältere Menschen über 65 sowie Kranke und Gebrechliche. Die Deportationen dienten dazu, die „Nutzlosen” – die Arbeitsunfähigen – auszurotten und Platz für die Menschen aus den neuen Transporten zu schaffen. Keiner der Deportierten überlebte; sie wurden im Vernichtungslager Chełmno nad Nerem ermordet.

 

„Der Bruder von diesem, die Schwester von jenem, der Vater von diesem, die Mutter von jener, der Cousin, die Tante! Jeder ließ jemanden zurück. Eine solche Verzweiflung war auf dem Höhepunkt der Vertreibung nicht zu sehen, so viel Weinen und Wehklagen waren nicht zu hören. Hier und da steht eine Handvoll weinender Frauen, Kinder und ratloser Männer, die auf so unfassbare Weise von ihren Liebsten Abschied genommen haben.”

 

Textquelle:

Kronika getta łódzkiego [dt.Chronik des Lodzer Ghettos, Anm. d. Übers.], Bd. 2, Red. Baranowski J., Radziszewska K., Sitarek A., Trębacz M., Walicki J., Wiatr E., Zawilski P., Łódź 2009, S. 481.

Fotoquelle:

Allgemeine Gehsperre (United States Holocaust Memorial Museum, Instytut Pamięci Narodowej).

MARYSIN – ENKLAVE IM GHETTO

 

Marysin, im nordöstlichen Teil des Ghettos gelegen, ist ein symbolträchtiges Gebiet. Zum einen war es der Ort, an dem vom Bahnhof Radegast aus die Judentransporte in die Vernichtungsstätten abgingen. Zum anderen galt es bei den Bewohnern des Ghettos als Synonym für Wohlstand – wegen der Ackerflächen, Gärten und Erholungsgebiete sowie der Enklave, in der man das Lachen von Kindern hören konnte. In diesem Bereich in der ul. Marysińska 100 und der ul. Okopowa 119 wurden bis 1941 Waisenhäuser betrieben, die dann an einen einzigen Standort in der ul. Franciszkańska 102 verlegt wurden. In der ul. Marysinska 48 befand sich eine Schule und sog. Hachscharot, in dem die jüdische Jugend in der Landarbeit unterrichtet wurde. Im Sommer wurde hier ein Lager für die Ärmsten eingerichtet. Das Büro der Kinderlager und die Abteilung Kinderküche befanden sich in der ul. Zagajnikowa 23. In Marysin gab es einen besonderen Ort, der die Schicksale polnischer und jüdischer Kinder verband. Bis das Gebiet vom Ghetto abgetrennt wurde, um ein deutsches Lager für polnische Kinder zu errichten, befand sich unter der Adresse ul. Przemyslowa 34 ein Präventorium für jüdische Kinder. Später befand sich hier das Büro des Lagerkommandanten.

 

Fotoquelle:

Präventorium für jüdische Kinder (Archiwum Państwowe w Łodzi).

Jüdische Kinder aus dem Marysin-Waisenhaus während einer Mahlzeit (United States Holocaust Memorial Museum).

Jüdische Kinder in Marysin während einer Freizeit (United States Holocaust Memorial Museum).

EIN GHETTO IM GHETTO – DAS ZIGEUNERLAGER

 

Zeitraum – November 1941 - Januar 1942

Gebiet – innerhalb des Ghettos, auf dem Quadrat der heutigen Straßen: ul. Wojska Polskiego, ul. Obrońców Westerplatte, ul. Głowackiego und ul. Starosikawska.

Anzahl der Insassen – 5.007, davon 2.689 Kinder aus dem Burgenland (österreichisch-ungarische Grenzregion).

Überlebende – alle wurden im Vernichtungslager Chełmno nad Nerem ermordet.

 

„Gestern Abend traf der erste Zigeunertransport mit 1.200 Personen, darunter etwa 250 Kinder, am Marysiner Bahnhof ein. Unterwegs brachte eine Zigeunerin ein Kind zur Welt. Zwei Kinder wurden tot aus dem Wagen herausgeholt, angeblich waren sie einfach erfroren. Die Behörden befahlen, dass die Kinder auf einem jüdischen Friedhof beerdigt werden sollten, was auch geschah.”

 

Quelle des Zitats:

Rozensztajn, Notizbuch, überarb. von M. Polit, Warschau 2008, S. 149.

Fotoquelle:

Mietshaus in der ul. Wojska Polskiego 82 (ehemals Brzezińska), Zigeunerlager.

Wandmalereien „Kinder aus Bałuty“ (Urheber: P. Saul und D. Idzikowski) an einem Mietshaus in der ul. Wojska Polskiego 82.

(MDP, Foto: R. Borowska)

KINDERHÖLLE – DAS PRZEMYSŁOWA-LAGER

 

„Ich erinnere mich, als wir in eine große Baracke geführt wurden, war der Saal voller weinender Kinder, und unter ihnen mein jammernder Bruder und ein stilles Ich, das noch nicht begriff, dass dies kein Ausflug, sondern ein Gefängnis war.”

Ewa Gauß-Nowakowska, geb. am 22. Juni 1938 in Posen, Polin, eine Insassin des Lagers an der ul. Przemysłowa und in Potulice.

 

In dem vom Lodzer Ghetto abgetrennten Gebiet richteten die Deutschen im Dezember 1942 ein Lager für Kinder polnischer Nationalität nach dem Vorbild des deutschen Jugendlagers in Moringen ein. Dorthin gelangten Waisenkinder, Kinder von Eltern, die in einer Verschwörung verwickelt waren, Kinder, deren Eltern die Volksliste nicht unterschrieben hatten, Kinder von Zeugen Jehovas und Kinder, die wegen kleinerer Vergehen erwischt wurden. In den 25 Monaten, in denen das Lager an der ul. Przemysłowa in Betrieb war, durchliefen zwischen 2 und 3 Tsd. Kinder das Lager. Das Lager verfügte über zwei Außenstellen: ein Landgut in Dzierżązna bei Zgierz (seit März 1943) und das Ost-Jugendverwahrlager der Sicherheitspolizei in Tuchingen (in Konstantynów Łódzki, seit August 1943). Das letztere war für Kinder aus Osteuropa bestimmt. In dem Lager an der ul. Przemysłowa starben wahrscheinlich etwa 200 kleine Häftlinge. Der Betrieb des Lagers wurde im Januar 1945 eingestellt, als die deutsche Besatzung vor der Sowjetarmee floh.

 

Quelle des Zitats:

Sowińska-Gogacz, B. Torański, Mały Oświęcim. Dziecięcy obóz w Łodzi [dt.Kleines Auschwitz. Das Kinderlager in Łódź, Anm. d. Übers.], Warschau 2020, S. 98.

Fotoquelle:

Ein Häftlingsappell des Lagers an der ul. Przemysłowa (Instytut Pamięci Narodowej).

Ein Plan des Lagers (Archiwum Państwowe w Poznaniu [dt. Staatsarchiv in Posen, Anm. d. Übers]).

VERLORENE KINDHEIT

 

Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Jüngsten genauso wie die Erwachsenen Opfer der deutschen Repressionen. Sie wurden verfolgt, verhaftet und erschossen, in Lagern, Ghettos und Gefängnisse gesteckt. Sie wurden ausgehungert und unter extrem harten hygienischen und sanitären Bedingungen gehalten. Sie waren ansteckenden Krankheiten ausgesetzt und hatten keine professionelle medizinische Versorgung. Sie wurden brutal aus ihren Familienhäusern gerissen und für die Germanisierung bestimmt oder zur Zwangsarbeit in die Sklavenarbeit geschickt.

 

Die Verluste an Kindern in Zahlen:

Todesfälle – 1,8 Mio.

Zum Zweck der Germanisierung Deportierte – 196 Tsd.

Nachkriegswaisen, Halbwaisen, zurückgelassene Kinder – über 1,5 Mio., 22,2 % der Bevölkerung. 

Sklavenarbeit im Wartheland – 25 % der polnischen Arbeitskräfte.

 

Textquelle:

Dzieci i młodzież w latach drugiej wojny światowej [dt. Kinder und Jugend in den Jahren des Zweiten Weltkriegs, Anm. d. Übers.], Red. Cz. Pilichowski, Warschau 1982, S. 270, 429; ein Bericht über die Verluste, die Polen infolge der deutschen Aggression und Besetzung während des Zweiten Weltkriegs 1939-1945 erlitten hat. Studie, Bd. I, S. 135-138.

Fotoquelle:

Zeichnungen von Rafał Minich, einem Häftling des Umwandererlagers in der ul. Łąkowa (Sammlung der Familie Minich).

NICHT NUR PRZEMYSŁOWA, NICHT NUR ŁÓDŹ ...
DAS BEWAHREN VOR DEM VERGESSEN.

 

Auf Dachböden, in Kellern und in Schrankschubladen finden sich noch immer Erinnerungsstücke aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung, die die Kriegsgeschichten der Kinder erzählen. Es ist ein Teil unserer nationalen Identität. Es gibt in Polen keine Familie, die dem Trauma des Krieges in den Jahren zwischen 1939 und 1945 entkommen ist. Die Museumsangestellten zeigen Fragmente ihrer eigenen Familiengeschichten.

 

Werfen Sie einen Blick auf Ihre Familie und lassen Sie uns an ihrer Geschichte teilhaben. Lassen Sie uns gemeinsam die Erinnerungsstücke der Kinder an den Krieg und die Besatzung vor dem Vergessen und der Zerstörung bewahren.

 

Großvater Władek –Władysław Tęgos, geb. am 22. April 1926 in Dzierawy bei Koło. Im Alter von 16 Jahren wurde er zur Zwangsarbeit nach München in die Fabrik von BMW, die Flugzeugmotoren für die Luftwaffe herstellte, deportiert. Er war im Außenlager Allach des Konzentrationslagers Dachau einquartiert. Er überlebte die Bombardierung der Fabrik. Nach der Befreiung wurde er von den Amerikanern nach Coburg transportiert. Im Juli 1945 kehrte er in sein Land zurück. Er starb am 5. August 1996. (Sammlung der Familie Fronczek).

 

Großmutter Jasia –Janina Dudek, geb. Wiedeńska, geb. am 11. April 1928 in Laski bei Bełchatów. Im Alter von 16 Jahren wurde sie in einem Umwandererlager an der ul. Łąkowa und der ul. Kopernika inhaftiert, danach war sie Zwangsarbeiterin in der Seidenfabrik Bamberg AG in Wuppertal. Sie wurde nach Belgien und in die Niederlande und später nach Frankreich evakuiert, wo sie in ein amerikanisches Krankenhaus in Mourmelon (Departement Marne) gebracht wurde. Nach dem August 1945 kehrte sie in ihr Land zurück. Sie starb am 25. Januar 2021. (Sammlung der Familie Dudek).

 

Tante Marianna –Marianna Łuczywek, geb. Nowak, geb. am 26. Dezember 1932 in Wola Makowska bei Skierniewice. Infolge der deutschen Aggression wurde sie ohne die Fürsorge ihres Vaters zurückgelassen, nur mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder Ryszard. Im Jahr 1940 schickte sie dieses Foto nach Deutschland mit dem Vermerk „Zum Andenken an den lieben Papa, geschickt von seiner Tochter”. Der Vater war zu dieser Zeit in Kriegsgefangenschaft. (Sammlung der Familien Łuczywek und Nowak).

 

Papa Zenek- Zenon Zbigniew Skalski, geb. am 24. August 1927 in Budzynek. Auf dem Bild zwischen Vater Stanisław und Mutter Anna. Eine Halbwaise des Krieges. Im Alter von 15 Jahren verlor er seinen Vater, der zwei Jahre nach seiner Verhaftung im Jahr 1942 im KL Auschwitz ums Leben kam. Der Vater war Leiter der Schule in Budzynek und Mitglied des ZWZ [poln. Związek Walki Zbrojnej, dt. Verband für den bewaffneten Kampf, Anm. d. Übers.] in Łęczyca. (Sammlung der Familie Skalski).